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Die unterschätzte Wirkung von Mitarbeiterbefragungen

Viele Mittelständler nutzen Mitarbeiterbefragungen (MAB) ausschließlich, um Auskunft über die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu erhalten oder die Qualität der Führungskräfte. Doch wirklich mit den Ergebnissen der Befragung arbeiten, das machen nur wenige Unternehmen. Ein fataler Fehler, denn richtig angewandt sind Mitarbeiterbefragungen ein strategisches Instrument für die Fitness des Unternehmens. Im Interview bei mittelstandinbayern.de: Prof. Felix Brodbeck vom Lehrstuhl Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und Partner bei LOGIT Management Consulting.

Viele Mittelständler führen Mitarbeiterbefragungen durch – weshalb nützen sie Unternehmen aber nur wenig, wenn sie nicht strategisch aufgesetzt werden?

Die Idee der klassischen Mitarbeiterbefragung gibt es schon seit Jahrzehnten. In der Regel führen die meisten Unternehmen Mitarbeiterbefragungen durch, weil sie sich Antworten auf u.a. folgende Fragen erhoffen: „Stehen unsere Mitarbeiter hinter den Unternehmenszielen?“, „Wie bewerten sie Arbeitsbedingungen, Führung und Unternehmenskultur?“ oder „Wie zufrieden sind sie?“. Was häufig fehlt, ist im Nachgang mit den Ergebnissen zu arbeiten und konkrete Veränderungsmaßnahmen einzuleiten. Denn strategische Mitarbeiterbefragungen sind mehr als bloße Meinungsumfragen oder Steuerungsinstrumente der Personalabteilung – sie sind Mittel, um Nutzen, Risiken und Chancen zu identifizieren und so strategische Ziele zu erreichen.

Gibt es noch weitere Vorteile?

Die Daten der Mitarbeiterbefragung ermöglichen es Unternehmen zudem, solide Vergleichswerte zu generieren. Zum einen für externe Benchmarks, was vor allem für das Topmanagement entscheidend ist: Inwieweit sind die Ergebnisse in der Gesamtschau „normal“ oder auch besonders „auffällig“? Zum anderen können Mittelständler auch interne Benchmarks etablieren, sei es zwischen verschiedenen Unternehmensteilen oder aber im zeitlichen Vergleich, wenn strategische Mitarbeiterbefragungen über Jahre hinweg systematisch durchgeführt werden. Auch Vergleiche auf Kennzahlenebene sind möglich. Fragen, die damit beantwortet werden können, sind beispielsweise: Welche sind die Top 25 Prozent aller Teams? Wo liegen die Besten im Gesamtunternehmen? Welche Best Practices zeichnen diese aus?

Was müssen Unternehmen beachten, damit Mitarbeiterbefragungen nicht zur Makulatur verkommen?

Dreierlei ist erfolgsentscheidend. Erstens mit Mitarbeiterbefragungen müssen alle rechnen. Sprich, sie müssen regelmäßig wiederholt werden, am besten alle ein bis zwei Jahre. Wichtig ist während des gesamten Prozesses eine transparente Kommunikation: Mitarbeiter und Führungskräfte sollten über den Zweck, das Ziel und den Ablauf der Mitarbeiterbefragung informiert sein, ebenso, wann die Ergebnisse vorliegen und welche Folgeprozesse geplant sind. Außerdem muss im Nachgang mit Führungskräften und Mitarbeitern über positive wie negative Veränderungen gesprochen werden. Beim Top-Down-Ansatz legt das Topmanagement strategische Handlungsschwerpunkte fest und gibt diese an die Teams weiter, die konkrete Lösungen erarbeiten. Das erhöht die Identifikation der Mitarbeiter mit den nachfolgenden Maßnahmen und schafft Akzeptanz für die Befragung insgesamt. Beim Bottom-Up-Ansatz werden Themen hingegen an der Basis erarbeitet und nach oben weitergegeben; so wird zum Beispiel auch ersichtlich, ob und welche übergeordneten Problemfelder und Potenziale es gibt, die vom Topmanagement nicht beachtet werden.

Welche weiteren Punkte sind bei der Durchführung besonders relevant?

Anders als die gängige Praxis, sollte nicht zu jedem denkbaren Thema befragt werden. Die Geschäftsleitung muss von Anfang an festlegen: Welche Themenfelder sind zentral für die Strategieumsetzung und für die interne Fitness des Unternehmens? Welche Handlungsfelder sind sekundär? Außerdem sollte im Vorfeld klar sein, wie mit dem Feedback der Befragung umgegangen wird. Was will die Geschäftsleitung sich und den Führungskräften zumuten? Wie wird mit den Ergebnissen verfahren – insbesondere mit schmerzhaften? Wie weit können Folgeprozesse gehen? Welche Mittel stehen dafür zur Verfügung, sowohl finanziell als auch personell? Welche Rolle spielen die Führungskräfte bei der Umsetzung?

Angst vor schlechten Ergebnissen ist für Sie folglich kein Grund, auf Mitarbeiterbefragungen zu verzichten?

Ich kann nachvollziehen, wenn Mittelständler in unsicheren oder wirtschaftlich schwierigen Zeiten beim Einsatz von Mitarbeiterbefragungen zögern. Grundsätzlich heißt das aber nicht, dass auch die Ergebnisse der Befragung schlechter ausfallen als in den Jahren zuvor. Die Finanzkrise 2008 gab uns beispielsweise Gelegenheit, deren generelle Auswirkungen auf die Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen zu untersuchen: sowohl national über Jahre hinweg, als auch international in Ländern, in denen an den Geschäftszahlen festzumachende unterschiedliche faktische Krisenauswirkungen erhoben wurden. Das Gesamtmuster zeigte deutlich, dass MAB-Indizes durch die Krise nicht generell negativ beeinflusst werden, auch nicht in Firmen oder Firmenteilen, deren jeweilige Landesvertretungen in ihrer objektiven Geschäftsentwicklung Einbußen hinnehmen mussten. Wer also Angst vor Krisenstimmung oder Kritik hat und deswegen Mitarbeiterbefragungen scheut, der ist als Unternehmenschef auf dem falschen Posten. Gute Entscheider sind bestrebt, sich und die Firma stetig zu verbessern und weiter nach vorne zu bringen. Dabei helfen strategische Mitarbeiterbefragungen maßgeblich! Sie erlauben, auf Basis empirischer Evidenz die Fitness des Unternehmens zu beurteilen, anstatt sich auf die intuitiven Einschätzungen Einzelner zu verlassen.

Das heißt, wer Mitarbeiterbefragungen richtig nutzt, ist im Schnitt erfolgreicher – können Sie das wissenschaftlich beweisen?

In der Tat gibt es weltweit etliche Studien, die empirisch belegen, dass in Punkto Performance jene Unternehmen unter den Besten sind, die sich konsistent auf ihre weichen Kernkompetenzen konzentrieren: Führung, Motivation, interne Kommunikation und übergreifende Zusammenarbeit. Strategische Mitarbeiterbefragungen sind ein Weg, um diese Kernkompetenzen systematisch zu fordern, zu evaluieren und zu fördern.

Sind Mitarbeiterbefragungen für alle mittelständischen Unternehmen von Vorteil?

Grundsätzlich ja. Jedes Unternehmen muss sich darauf verlassen können, dass seine Mitarbeiter und Führungskräfte von den Zielen bzw. der strategischen Ausrichtung überzeugt sind – und auch das entsprechende Vertrauen in die Geschäftsführung haben. Darüber hinaus sollte ein Unternehmen die Bedingungen für das Erreichen seiner Ziele und die Umsetzung seiner Strategie einschätzen und optimieren können. Dazu ist es notwendig, sich über den Status Quo zu informieren: wie werden bestimmte Dinge und Themen von der Belegschaft wahrgenommen und eingeschätzt. Ab einer Unternehmensgröße von 500 oder 1.000 Mitarbeitern ist dies nicht mehr ohne weiteres möglich. Strategische Mitarbeiterbefragungen sind hier das Mittel der Wahl, gerade für internationale Unternehmen.

Über den Interviewpartner:

Prof. Dr. Felix Brodbeck ist Partner bei LOGIT, ein Münchner Beratungshaus für Mitarbeiterbefragungen und datengestützte Organisationsentwicklung. Mit Dr. Matthias Zimmermann und der gemeinsamen Firma LOGIT führt er internationale Mitarbeiterbefragungen durch und leitet Empfehlungen für das Topmanagement ab. Zu den Kunden von LOGIT zählen internationale Groß- und mittelständische Unternehmen (z.B. BOSCH, Allianz, Heraeus, Freudenberg, Dürr, Eagle Burgmann, Richard Wolf).
Weitere Informationen unter: www.logit-management-consulting.com
Prof. Dr. Felix Brodbeck ist außerdem Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der LMU München.

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