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„Man darf nie die Zuversicht verlieren!“ – Interview mit Gastronomin Sibylla Abenteuer

Die vergangenen zwei Jahre waren für die Gastronomie eine turbulente Zeit. Die Corona-Pandemie hat viele Betreiberinnen und Betreiber vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Wir haben mit Sibylla Abenteuer, der Geschäftsführerin des Rabenwirts in Pullach unter anderem darüber gesprochen, wie sie mit ihrem Haus die Pandemie durchgestanden hat, wie das aktuelle Stimmungsbild der Branche ist und wie sie das staatliche Corona-Management einschätzt.

Frau Abenteuer, die Corona-Pandemie ist seit mittlerweile über zwei Jahren das weltweit dominierende Thema. Viele Branchen wurden hart von den Maßnahmen zur Eindämmung der Krise getroffen, so auch die Gastronomie. Wie sind Sie mit dem Rabenwirt durch die Pandemie gekommen?

Sibylla Abenteuer: Die Pandemie war bisher eine einzige Achterbahnfahrt – sowohl finanziell als auch emotional. Als Betreiberin in der Gastronomie muss man sich hinterfragen, ob man bereit ist, dieses ständige Wechselbad der Gefühle auf Dauer mitzumachen. Es war ja schon früh erkennbar, dass uns Corona eine längere Zeit beschäftigen würde. Wir haben uns entschlossen, unbedingt weiterzumachen und die Situation auf alle Fälle durchzustehen.

Angesichts von Fixkosten von über 3.000€ am Tag ist das aber nicht so einfach. Es gab so gut wie keine Planungssicherheit, weil die aktuellen Entwicklungen kaum abzusehen waren. Daher haben wir immer nur von Woche zu Woche gedacht und mussten sehr flexibel sein. Mit diesem Ansatz sind wir trotz aller Herausforderungen gut durch die Corona-Krise gekommen. Der Rabenwirt wird die Pandemie auf jeden Fall überstehen.

Wie hat sich die Gesamtsituation auf Ihre Angestellten ausgewirkt?

Sibylla Abenteuer: In der Kurzarbeit, die leider unvermeidlich war, sind für meine Angestellten finanzielle Einbußen entstanden. Wir haben aber darauf geachtet, diese so gering wie möglich zu halten. Mir ist auch bewusst, dass ich meinen Mitarbeitern in den letzten zwei Jahren sehr viel zumuten musste. Ich habe großen Respekt davor, dass sie das alle so klaglos mitgemacht haben. Als Dankeschön erhöhen wir deshalb ab Mai die Löhne.

Sie führen den Rabenwirt seit mittlerweile über 20 Jahren und kennen sich in der Branche bestens aus. Inwiefern hat Ihnen Ihre langjährige Erfahrung als Gastronomin bei der Bewältigung der Corona-Krise geholfen?

Sibylla Abenteuer: Corona war auch für mich eine neue Herausforderung. Meine Erfahrung hat mir aber enorm geholfen, diese zu bewältigen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Rabenwirt die Pandemie überstanden hätte, wenn ich erst seit drei oder vier Jahren Geschäftsführerin gewesen wäre. In über 20 Jahren lernt man, was funktioniert und was nicht. Zum Beispiel war es mir wichtig, meine Mitarbeiter möglichst nicht zu entlassen, auch wenn das während der Lockdowns teurer war. So konnten wir aber einen selbstverschuldeten Personalmangel vermeiden, der viele andere Gastronomen in den Phasen der Lockerungen geplagt hat.

Während Corona habe ich dann aber auch viel dazugelernt. Mir ist noch einmal bewusst geworden, was man als Gastronomin mitbringen muss, um erfolgreich zu sein. In erster Linie muss man eine gute Kauffrau sein. Wirtschaftliches Verständnis ist deutlich wichtiger als Leidenschaft. Auch eine gewisse Risikobereitschaft, eine hemdsärmelige Mentalität und Durchhaltevermögen sind zwingend nötig.

Sie haben auf die staatlichen Finanzhilfen zurückgegriffen. Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung durch die Bundesregierung?

Sibylla Abenteuer: Allgemein ist positiv hervorzuheben, dass sich die Bundesregierung wirklich bemüht hat, uns Gastronomen entgegenzukommen. Außerdem war zu beobachten, dass sich die bürokratischen Abläufe beim Staat mit der Zeit stetig verbessert haben. Die Auszahlung der ersten Corona-Hilfen war eine einzige Katastrophe. Es hat über drei Monate gedauert, bis wir das Geld erhalten haben. Für viele Betreiber war das schon zu spät. Beim zweiten Mal lief die Auszahlung dann deutlich schneller.

Auch sonst waren Sie stark von den staatlichen Maßnahmen betroffen. Welche Probleme sind Ihnen dabei aufgefallen?

Sibylla Abenteuer: Beim Kurzarbeitergeld gab es die größten Probleme. Jetzt ist Ende Februar und wir warten noch immer auf die Auszahlung für den letzten Dezember. Auch die Bemessungsgrundlage der Überbrückungshilfe IV ist nicht wirklich durchdacht. Wird ein bestimmter Umsatz überschritten, bekommt ein Betrieb bedeutend weniger staatliche Hilfen. Oftmals ist es für Gastronomen daher sinnvoll, an einigen Tagen zu schließen, um die Umsatzgrenze nicht zu überschreiten und dafür mehr Zuschüsse vom Staat zu erhalten.

Am belastendsten haben wir aber das Regel-Wirrwarr wahrgenommen. Es gab schlicht keine klare Perspektive und deshalb auch keine Planungssicherheit. Insbesondere der letzte Herbst war in dieser Hinsicht sehr anstrengend. In der Weihnachtszeit hatten wir sehr viele Buchungen, für die wir entsprechende Vorbereitungen getroffen haben. Als dann stetig wieder Einschränkungen für die Gastronomie kamen und die Corona-Zahlen stiegen, wurden alle Weihnachtsfeiern von den Unternehmen ersatzlos storniert und schlagartig wurde einer der besten Monate im Jahr ein ganz schlechter.

Wagen wir eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres. Was erwarten Sie sich von 2022?

Sibylla Abenteuer: Die mögliche Kombination aus Grippe und Omikron macht mir etwas Sorgen für den kommenden Herbst. Die nähere Zukunft stimmt mich aber erst einmal positiv. Für den Frühling und Sommer bin ich sehr zuversichtlich. Sobald die letzten Corona-Einschränkungen fallen, erwarten wir eine enorme Zahl an Gästen. Dabei kommt uns auch unsere Randgebiet-Lage vor den Toren Münchens zugute. Die Menschen wollen raus. Pullach im schönen Isartal ist da ein beliebtes Ausflugsziel.

Außerdem sind unsere Renovierungen bald abgeschlossen, worauf wir uns alle sehr freuen. Im Mai möchten wir im Rabenwirt Karikaturen des österreichischen Grafikers Manfred Deix ausstellen. Das wird sicher eines der Highlights des Jahres. Insgesamt freue ich mich auf die kommenden Monate. Auch das habe ich während der Corona-Krise noch einmal gelernt: man darf nie die Zuversicht verlieren. Nur mit einer positiven Grundeinstellung lässt sich durch schwierige Zeiten so ein Unternehmen langfristig erfolgreich führen.

Über Sibylla Abenteuer
Sibylla Abenteuer (49), ist Unternehmerin mit langjähriger Erfahrung in der Gastronomie. Seit 2000 führt sie den Gasthof Rabenwirt in Pullach. Die Traditionsgaststätte liegt direkt an der Isar und bietet einen einzigartigen Blick auf das Isartal.
Weitere Informationen unter: https://www.rabenwirt.de/

Interview: Yannik Hillich

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