Mittelstand in Bayern
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Wenig Fortschritte beim Impfen – Mittelstand wird selbst aktiv

Liebe Unternehmerinnen und Unternehmer,

kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers diskutiert wie die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht. Während sich die Politik mit dem heiklen Thema zunehmend schwertut, ergreifen mittelständische Unternehmen inzwischen eigene Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquote.

Heikles Thema – Politik spielt auf Zeit

Seit Wochen debattiert das Land über die Impfpflicht, ohne jedoch zu einem wirklichen Ergebnis zu kommen. Einerseits besteht weitgehende Einigkeit, dass flächendeckende Impfungen der einzige wirklich Erfolg versprechende Weg aus der Pandemie sind – der Effekt der Impfungen vor schwerer Erkrankung ist schließlich wissenschaftlich eindeutig dokumentiert, die dringend nötige Entlastung der Krankenhäuser so realisierbar. Fast drei Viertel der Bevölkerung hat sich auch in Deutschland mittlerweile den schützenden Piks abgeholt. Gegen ein Gesetz, das auch die impfskeptischen Menschen dazu verpflichtet, gibt es allerdings veritable rechtliche, ethische und praktische Bedenken. Denn die Impfung stellt nun einmal einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Menschen dar, die aber klar in Artikel 2 des Grundgesetzes unverrückbar garantiert ist. Auch demokratietheoretische Aspekte wie der Minderheitenschutz müssen bei solchen Grundrechtseingriffen unbedingt berücksichtigt werden. Auch in einer Demokratie gibt es zahlreiche Themen, die nicht einer Entscheidung durch eine Mehrheit unterliegen dürfen, der Minderheitenschutz ist ein hohes Gut in einer freiheitlichen Grundordnung und gewinnt aktuell in vielen Ländern weiter an Bedeutung. Zudem ist fraglich, ob Deutschland die praktische Umsetzung der Impfpflicht überhaupt gewährleisten könnte, schließlich verfügen wir nicht wie Österreich über ein nationales Impfregister. Auch die Durchsetzung wirft viele Fragen auf: Werden Impfverweigerer, die ein Bußgeld nicht zahlen können oder wollen, am Schluss mit Erzwingungshaft belegt? Das zumindest entscheiden unabhängige Richter und nicht die Politik. Aber was nutzt uns am Schluss ein Gesetz, das nicht exekutiert werden kann?

Im Wissen um die vielen offenen Fragen spielt die Politik zunehmend auf Zeit. Weder aus dem Kanzleramt noch aus dem Bundesgesundheitsministerium liegen bisher konkrete Vorschläge dazu vor, wie eine generelle Impfpflicht praktisch ausgestaltet werden könnte. Kanzler Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach plädieren zwar klar für die Impfpflicht. Einen Gesetzesentwurf wollen beide Politiker jedoch nicht ausarbeiten. Stattdessen soll diese Aufgabe dem Bundestag in freier Entscheidung ohne Fraktionszwang auf Basis von Gruppenanträgen obliegen. Für Ende Januar sind erste, fraktionsoffene Orientierungsdebatten angesetzt, mit einer Abstimmung ist aber wohl frühestens im März zu rechnen. Da ist viel Vorsicht im Spiel, denn natürlich wissen die Entscheidungsträger auch, dass eine gesetzliche Pflicht zu sehr viel Widerstand und einer noch stärkeren Verhärtung der ohnehin schon sehr unversöhnlichen Fronten in der Gesellschaft führen könnte. Und wahrscheinlich gibt es auch die Hoffnung, dass sich das Problem irgendwie anders löst – sei es durch die enorme Wirkkraft der Omikron-Variante, oder durch die Wirkung weiterer Aufklärungskampagnen.

Selbst ist der Mittelstand

Für den Mittelstand ändert sich also erst einmal nichts. Seit November 2021 müssen Unternehmen die 3G-Regel am Arbeitsplatz durchsetzen. Geimpfte Mitarbeiter verursachen dabei einen deutlich geringeren bürokratischen Aufwand als ihre ungeimpften Kollegen, deren Tests täglich kontrolliert werden müssen. Und sie tragen nachweislich ein erheblich geringeres Risiko, schwer und langfristig zu erkranken und stehen somit den Unternehmen verlässlicher zur Verfügung. Schließlich müssen Firmenchefs auch sehr genau darauf achten, keine Polarisierung in ihren Betrieben zuzulassen, um die Produktivität nicht zu gefährden. Viele geimpfte Mitarbeiter haben nun einmal wenig Verständnis für ungeimpfte Kollegen, und umgekehrt sind letztere manchmal laut und unversöhnlich bei der Verteidigung ihrer Position.

Betriebe ergreifen deshalb inzwischen vermehrt auch eigene, verschärfte Maßnahmen – wie eine repräsentative Umfrage der ManpowerGroup zeigt. Von den rund 1.000 befragten Unternehmen knüpft mehr als ein Drittel die Präsenz vor Ort im Betrieb klar an einen Impf- oder Booster-Nachweis, was der 2G-Regel in Handel und Gastronomie entspricht. Weitere 14 Prozent fordern zusätzlich sogar noch einen negativen Test (2G-plus). Darüber hinaus bietet jedes siebte Unternehmen seinen Mitarbeitern konkrete finanzielle Anreize für eine Erstimpfung an. Daraus lässt sich klar ableiten, dass Unternehmer und Unternehmerinnen in Deutschland ein sehr hohes Interesse daran haben, ihre MitarbeiterInnen möglichst gut vor Sars-Cov-2 zu schützen.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) vertritt die Position, dass eine Impfpflicht als „Ultima Ratio“ im Raum stehen müsse, wenn andere Maßnahmen nicht zum Erfolg führen. Man muss also derzeit die Frage stellen, ob weitere, aktive Bemühungen um bisher Impfunwillige noch zu einer deutlichen Steigerung der Impfquote führen werden. Oder werden die vielen individuellen Maßnahmen und die enorme Ansteckungswahrscheinlichkeit durch die Omikron-Variante – Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Wochen bis zu 50 Prozent der Bevölkerung in Kontakt mit dem Virus kommen werden – dazu führen, dass eine Impfpflicht letztlich nicht mehr nötig sein wird? Spätestens wenn beides nicht fruchtet, werden die politischen Entscheidungsträger stark unter Druck kommen, denn nach der Corona-Welle ist in diesen Zeiten immer auch vor der nächsten Welle. Omikron wird sicher nicht die letzte Variante sein, mit der die Gesellschaften und damit auch die Krankenhäuser dieser Welt konfrontiert sind.

Welche Meinung haben Sie dazu? Senden Sie uns Ihre Argumente an info@mittelstandinbayern.de

Und bleiben Sie gesund!

Ihr

Achim von Michel

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