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Learning Leadership: „Führung sollte früher geschult werden“

Die Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Katharina Lochner lehrt und forscht an der University of Applied Sciences Europe. An ihrer Hochschule setzt sie bereits neue Führungskonzepte um. Junge Menschen sollten schon in der Ausbildung darüber reflektieren, ob Führung etwas ist, das sie langfristig anstreben, sagt sie im Interview mit Mittelstand in Bayern.

 

Frau Professor Lochner, wieso ist es so wichtig, sich früh mit dem Thema Führung zu befassen?

Forschungen zeigen, dass sich die Führungsidentität relativ früh entwickelt. Schon im Kindergarten beobachten junge Menschen das Verhalten ihrer Eltern oder Geschwister in bestimmten Positionen. Die Führungsidentität entwickelt sich in der in der Interaktion mit anderen Kindern weiter, beispielsweise in der Schule oder im Sportverein. In der Hochschule haben einige Studierende bereits Erfahrungen mit Führung gemacht – entweder als geführte oder sogar führende Person. Hier macht es Sinn, Führung zu schulen. Natürlich wird sich der Führungsstil mit der Erfahrung und dem Reifegrad einer Person wandeln, es geht aber zunächst um die grundsätzliche Entscheidung, ob eine Führungslaufbahn etwas persönlich Erstrebenswertes ist. Wenn man sich gegen eine solche Laufbahn entscheidet, machen nach dem Hochschulabschluss Trainee-Programme, die meist auf eine Führungslaufbahn abzielen, wenig Sinn.

Der andere wichtige Aspekt ist, sich bereits vor der Zeit im Unternehmen mit dem Thema destruktive Führung und ihren Folgen auseinanderzusetzen. Destruktive Führung kann zum einen bedeuten, gegen die Interessen des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter zu handeln oder eine Kombination aus beiden. Destruktive Führung in Bezug auf das Unternehmen kann sich beispielsweise im Verfolgen eigener, dem Unternehmen zuwiderlaufender Ziele äußern. Das kann darin bestehen, sich für eine Auftragsvergabe bestechen zu lassen oder sich einen Bonus auszubezahlen, obwohl das Unternehmen schon in finanzieller Schieflage ist. Destruktive Führung in Bezug auf Mitarbeiter kann sich in Herabsetzung oder Demütigung oder Einschüchterung äußern. All das fängt häufig sehr klein an. Um Anzeichen destruktiver Führung früh zu erkennen ist es wichtig, dass Führungskraft und Mitarbeiter für das Thema sensibilisiert werden.

Geht es angesichts von Digitalisierung und Home-Office inzwischen eher um eine erfolgreiche Koordination der Mitarbeiterkompetenzen als um einen speziellen Führungsstil?

Es kommt sehr auf den Berufszweig an. Im Bereich der Wissensarbeiter, die in ihrem Feld hochkompetent und motiviert sind und sich gut selbst organisieren können, geht es natürlich darum, dass die Führungskraft die Bedingungen für eine gute Zusammenarbeit und Zielerreichung schafft. Trotzdem sehe ich die Führungskraft noch sehr stark in der Pflicht, eine gemeinsame Vision zu teilen und Aufgaben klar zu kommunizieren. Eine erfolgreiche Koordination der Kompetenzen der Mitarbeiter ist hier absolut relevant, insbesondere die sogenannte Individualized Consideration, ein Faktor der Transformationalen Führung: Ziel ist es, die Stärken des Mitarbeiters zu fördern und ihn dementsprechend richtig einzusetzen.

Sind die klassischen Führungsstile noch anwendbar auf unsere heutigen Berufskonstellationen?

Sie spielen hier auf die Einteilung in autoritär, demokratisch und Laissez-faire an. Die sind größtenteils in der Führungsforschung eigentlich schon länger nicht mehr so aktuell. Der Laissez-faire Führungsstil begegnet uns allerdings noch immer. Laissez-faire bedeutet, dass die Führungskraft eigentlich ihrer Rolle nicht gerecht wird, keine Entscheidungen trifft und fast schon gleichgültig ist. Selbst wenn eine Gruppe von Mitarbeitern sehr eigenständig und organisiert arbeitet, ist manchmal eine schnelle Entscheidung von einer Person gefordert. Ein solcher Führungsstil wirkt sich nicht nur negativ auf Leistung und Arbeitszufriedenheit, sondern auch auf die Gesundheit aus.

Ansonsten befasste sich die Forschung der letzten 20 Jahre mehr mit transaktionaler und transformationaler Führung, wobei es bei ersterer um das Setzen von Zielen und der Überprüfung von deren Einhaltung geht, bei letzterer um die Inspiration der Mitarbeiter zum Hinausgehen über die eigenen Interessen.  Produktionsberufe beispielsweise wären ein Anwendungsfall für transaktionale Führung: Es geht darum, klare Richtungen und Ziele vorzugeben und darauf zu achten, dass diese eingehalten werden. Bei den bereits erwähnten Wissensarbeitern passt eher die transformationale Führung. Neuere Konzepte von Führung sind beispielsweise die geteilte Führung, bei der sich hochkompetente, meist funktionsübergreifende Teams die Führung je nach beispielsweise Projektstadium teilen. Zudem rücken vermehrt Themen wie Ethik in den Fokus, die sich dann in neuen Konzepten wie dienender Führung – hier wird explizit das Interesse der Geführten über die der Führungskraft gestellt – oder authentischer Führung – hier sind beispielsweise Selbsterkenntnis, Transparenz und Moral im Fokus – spiegeln. Insgesamt kann man sagen, dass einfach die Bandbreite größer geworden ist.

Welche persönlichen Kompetenzen sind denn förderlich für einen guten Führungsstil?

Führung bedeutet nicht, die bessere Fachkraft zu sein, sondern erfordert ein ganz anderes Skill Set. Neben Selbstreflexion ist die Kommunikation zentral. Dabei geht es in erster Linie nicht um überzeugende Kommunikation, die selbstverständlich wichtig ist, um den Mitarbeiter von seiner Vision zu überzeugen. Es geht zunächst um aktives Zuhören: den Mitarbeiter kennen und einschätzen lernen legt den Grundstein dafür, Kompetenzen und die Aufstellung des Teams zu sehen. Feedback geben und nehmen ist auch wichtig – besonders je höher jemand in der Unternehmenshierarchie steht, desto schwieriger ist es, Feedback zu bekommen. Dies führt dann im schlimmsten Fall zum Management-Derailment, einem Entgleisen der Führungskraft, was sich dann in Managementfehlern äußern kann, die das Unternehmen Geld und Ansehen kosten. Darüber hinaus sind Intelligenz und Lernfähigkeit sehr wichtig sowie natürlich die Motivation zur Führung.

Wie würden Sie sich Learning Leadership konkret in unserem Bildungssystem wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass Führung schon in der Schule Thema ist, um Kindern die Gelegenheit zu geben, erste Erfahrungen zu sammeln. Im Moment passiert dies meist außerhalb oder nach der Schullaufbahn. Auch an Hochschulen sollten Führung verstärkt thematisiert werden, beispielsweise durch Einführungen ins Thema sowie Übungen und Reflexionen dazu. Wobei man auch aufpassen muss, dass die Erwartungen richtig gesetzt werden – manche Absolventen glauben, sie können führen, weil sie ein Seminar zum Thema besucht haben. Die Hochschule bietet nur die Möglichkeit, erste Berührungspunkte mit Führung zu ermöglichen und eine Idee davon zu bekommen, wo man im Hinblick auf Führung steht.

Frau Lochner, vielen Dank für das Gespräch.

 

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