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European Public Sphere: Digitale Alternative?

Ein digitales Ökosystem, das europäischen Werten folgt, auf demokratische Kontrolle setzt und digitale Souveränität ermöglicht: Eine Projektgruppe um Henning Kagermann (acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) und BR-Intendant Ulrich Wilhelm entwirft eine solche „European Public Sphere“ (EPS) im digitalen Raum. Für den Aufbau dieses digitalen öffentlichen Raumes empfiehlt sie in dem gleichnamigen Impuls eine ambitionierte europäische politische Initiative, realisiert von einer breiten Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Corona zeigt Abhängigkeit

Die Corona-Krise zeigt, wie nützlich digitale Plattformen sind. Sie ermöglichen es, physisch auf Abstand, aber virtuell in Kontakt zu bleiben, sei es für den digitalen Unterricht, im Arbeitsleben oder privat. Ebenso deutlich wurden aber auch Abhängigkeiten Europas im digitalen Raum. Führende digitale Plattformen werden von nicht-europäischen Unternehmen bereitgestellt. Gleiches gilt für die leistungsfähigsten Dateninfrastrukturen. Europa und seine Bürgerinnen und Bürger haben kaum gestaltenden Einfluss auf den digitalen öffentlichen Raum und damit über eine Infrastruktur, die zentral ist für das gesellschaftliche Leben, die politische Willensbildung, die individuelle Freiheit und Privatsphäre sowie die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit.

Digitale Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge

Im Gegensatz zu Gesundheit, Bildung oder Verkehr wurde die digitale Infrastruktur bislang nicht als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge begriffen. Für einen offenen digitalen Raum wird aber eine Grundinfrastruktur – quasi ein frei zugängliches digitales Straßen- und Wegesystem – benötigt. Notwendig ist deshalb eine koordinierende Rolle von Seiten des Staates. Laut der Projektgruppe braucht es zum initialen Aufbau eines europäischen, offenen digitalen Ökosystems staatliche Förderung flankiert von europäischer Regulierung.

Europäische Werte im Technologie-Design

Technologie ist nie neutral, sondern immer beeinflusst von der Umgebung, in der sie entstand. Europa hat sich auf Werte wie die Würde des Menschen, Selbstbestimmung, Pluralität, Offenheit, Privatheit, Sicherheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit verpflichtet. Aufgabe der European Public Sphere ist es hier, diese Werte in Grundsätze für die Gestaltung von Technologien umzusetzen.

Technologie-Strategie für große Vielfalt

Modularität, Interoperabilität und Offenheit sollen die Technologie der European Public Sphere prägen: Im Gegensatz zu heutigen monolithischen, geschlossenen Plattformen entstehen in der EPS Technologien, die aufgrund offener Standards einfach wiederverwendet, dezentral weiterentwickelt und optimal mit anderen Technologien kombiniert werden können. Solche Basistechnologien und Anwendungsbausteine ermöglichen eine Vielfalt an Geschäftsmodellen, Plattformen und Produkten in allen Branchen und Bereichen, beispielsweise digitaler Bildung, E-Government und gesamteuropäische Medien.

Digital-Agentur und unabhängige Allianz

Neben einer öffentlich-rechtlichen koordinierenden Einheit, beispielsweise einer Europäischen Digitalagentur beziehungsweise eines Agenturnetzwerks, schlägt die Expertengruppe eine unabhängige, genossenschaftlich organisierte „European Public Sphere Alliance“ vor. Diese steht Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Medien, Wissenschaft und anderen öffentlichen Einrichtungen offen. Ihre Mitglieder entwickeln gemeinsam Technologie-Komponenten, auf deren Grundlage sowohl nicht-kommerzielle Angebote als auch privatwirtschaftliche Produkte gestaltet und vermarktet werden.

Die neuen Angebote sollen nicht Existierende ersetzen, sondern gut funktionierende, vertrauenswürdige Alternativen bieten. „Wenn Europa jetzt kraftvoll handelt und eine ambitionierte Initiative startet, kann ein öffentlicher digitaler Raum entstehen, der faire Zugangs- und Nutzungsbedingungen bietet, den öffentlichen Diskurs stärkt und die identitätsstiftende Pluralität Europas sicherstellt“, sagt BR-Intendant Ulrich Wilhelm. Henning Kagermann ergänzt: „Wir wollen digitale Souveränität stärken – also die Selbstbestimmung Europas als Rechts- und Wertegemeinschaft und jedes einzelnen Nutzers. Wohlgemerkt, digitale Souveränität sichern wir durch Offenheit und Wahlfreiheit. Jeder kann sich am Aufbau des europäischen digitalen Raums beteiligen, der europäische Werte beachtet.“

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