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Corona-Politik: Und täglich grüßt das Murmeltier

Es war zwar beileibe kein Jahrhundertsommer, doch grundsätzlich besseres Wetter und das damit verbundene Sinken der bundesweiten Corona-Inzidenz reichte der Politik offenbar aus, um sich nach dem siebenmonatigen Dauerlockdown im Winter und Frühjahr endlich wieder ganz anderen Agenden zu widmen. Sicher, da war die verheerende Flut im Ahrtal, und da waren natürlich auch die anstehenden Bundestagswahlen – langweilig wurde es im Sommer 2021 bestimmt niemandem. Und dennoch hätte man voraussehen können, nein voraussehen müssen, dass auch dieser Nicht-Jahrhundertsommer einmal zu Ende geht. Die Impfquote stagnierte seit spätestens August, und allen Experten war schon deutlich früher klar, dass der bevorstehende Herbst und Winter keinesfalls schon ein Ausrufen eines Endes der Pandemie rechtfertigen würden. Doch eine dedizierte, interdisziplinäre Corona Task Force, die sich trotz aller Widrigkeiten des übrigen Lebens stur an den Erfordernissen der Pandemiebekämpfung abarbeitet, sucht man auch in Corona-Jahr zwei vergebens.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Als ich dieser Tage die dringende Forderung von Wissenschaftlern nach einem „Not-Schutzschalter“ las, fühlte ich mich ein bisschen so, wie es TV-Ansager Phil Connors es im berühmten Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ eindrücklich beschrieben hat. Zur gleichen Zeit ein Jahr zuvor hieß diese Maßnahme noch „Wellenbrecher-Lockdown“, aber die Intention war exakt dieselbe: Eine massiv aus dem Ruder laufende Corona-Politik durch drastische Maßnahmen schnell wieder einzufangen, um die explodierenden Infektionszahlen vor den Weihnachtstagen wieder so gut wie möglich zu senken.

Wenn man denn überhaupt von „Schuld“ bei dieser neuerlich katastrophalen Entwicklung sprechen kann, so trifft diese natürlich in erster Linie die medizinisch gesunden Impfverweigerer, die in diesem Land noch immer bis zu einem Drittel der Bevölkerung ausmachen.  Länder wie Spanien, Portugal oder Dänemark zeigen dabei sehr deutlich, wie segensreich eine weitgehend vollständige Durchimpfung der Bevölkerung ist. Richtig, auch dort werden aktuell wieder Maßnahmen diskutiert beziehungsweise umgesetzt, aber die Dimension des Geschehens ist doch um ein Vielfaches geringer als hierzulande, wo nach Zeitungsmeldungen von heute beispielsweise im Raum München derzeit fast kein Intensivbett mehr aufnahmebereit zur Verfügung steht. Österreich hat früher reagiert und jetzt einen Teil-Lockdown (für nicht Geimpfte) umgesetzt, während die deutsche Politik noch einem weiteren „Corona-Gipfel“ entgegenfiebert und sich – ganz ungewohnt bei dieser Thematik – inzwischen auch in parteipolitischem Gezänk verliert. Nein, es war nicht wirklich nachvollziehbar, was FDP-Chef Christian Lindner vergangene Woche in den Tagesthemen zum Thema von sich gab. Es war sogar so unverständlich, dass Moderator Zamperoni im Interview eher ungläubig nachfragte, ob es wirklich Position der FDP sei, bewährte Maßnahmen der Pandemiebekämpfung als nicht mehr vertretbar da wirkungslos einzustufen.

Kommt die Impfpflicht doch noch?

Doch die FDP wäre nicht die FDP, wenn sie sich dauerhaft der vorherrschenden Wissenschaftsmeinung entziehen würde, und so wird es wohl in aller Bälde per Ampel-Koalitionsübereinkunft und Unterstützung der geschäftsführenden Bundesregierung nicht nur zu massiven Restriktionen für Ungeimpfte im öffentlichen Personennahverkehr kommen. Darüber hinaus packt der Bund auch das heiße Eisen „Impfpflicht“ endlich an und will diese zumindest für Krankenhaus- und Kita-Personal so schnell wie möglich umsetzen. Ein erster Schritt zu einer generellen Impfpflicht? Das dürfte schwierig werden, denn die Gerichte hierzulande fordern immer wieder aufs Neue, das jeweils mildeste mögliche Mittel bei der Beschränkung von Freiheitsrechten anzuwenden. Dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden, eine Impfpflicht kann eben nur die „ultima ratio“ sein, wenn ansonsten kein Mittel mehr wirkt. Aber Kontaktbeschränkungen und Lockdowns wirken natürlich, denn es liegt in der Natur der Sache: Wo sich weniger Menschen begegnen, breitet sich Sars-Cov-2 in geringerem Maße aus.

Der Murmeltier-Reporter lernt Klavierspielen

Doch um noch einmal zurück zu Phil Connors und seiner Berichterstattung zum Murmeltiertag zu kommen: es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Hollywood-Fiktion und bundesdeutscher Realität! Im Film gelingt es Phil, sich schrittweise in einen besseren, selbstlosen Menschen zu wandeln, indem er die Wiederholung der Zeit für sich nutzt. Er lernt beispielsweise Klavierspielen und das Schnitzen von Eisskulpturen, entwickelt mehr Empathie und hält bei seinem TV-Beitrag zuletzt eine bewegende Rede über den Winter und den Murmeltiertag. Er hat verstanden, dass er in der Situation gefangen ist, und macht das Beste daraus.

Diese Strategie kann ich hierzulande nicht erkennen. Ein ums andere Mal stolpern wir – gefangen in der Pandemie wie wir nun einmal sind – in Realitäten, die mit der Situation und ihrer Entwicklung bestens vertraute Experten lange vorausgesehen und angekündigt haben. Stoisch bis stur vertrauen wir aber lieber viel zu lange auf eine breite Impfbereitschaft der Bevölkerung, anstatt längst gezielt wirkende Mechanismen der Verhaltensforschung öffentlich zu diskutieren und anschließend konsequent zu nutzen. Ein Impftermin, der mir vom Gesundheitsamt im roten Umschlag zugesandt wird, ist nun einmal um ein Vielfaches gewichtiger, als das laxe „Impfangebot“ mit Online-Kalender zum Selberbuchen. Solche Beispiele gibt es noch viele.

Unternehmen müssen Impfstatus kennen

Für die Wirtschaft verheißt die neuerliche Verschärfung der Situation nichts Gutes. Was jetzt unbedingt sehr schnell kommen muss, ist das Auskunftsrecht des Unternehmens über den Impfstatus seiner Angestellten. Nur so lassen sich Logistik und Effizienz der Corona-Tests in Betrieben sinnvoll aufgleisen. Die wohl auch wieder geplante Homeoffice-Regelung sollte dieses Mal in der Verantwortung der Betriebe verbleiben – in Absprache mit ihren Mitarbeitern wissen sie am besten, wo solche Regelungen tatsächlich Sinn ergeben, und wo beispielsweise die häusliche Situation einen geregelten Arbeitsalltag gar nicht zulässt. Und wir brauchen eine möglichst unbürokratische Verlängerung der Überbrückungshilfen, damit in erneut gefährdeten Branchen wie Gastronomie, Veranstaltungswirtschaft und Kultur nicht doch noch auf den letzten Metern das „Aus“ kommt. Schnell wird es sicher auch diesmal nicht gehen, denn noch gibt es keine Beschlüsse dazu.

Die Hauptverantwortung für das Geschehen tragen aber weder die Unternehmen noch die Politik, sondern die bisher nicht Geimpften. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es heute eindringlich auf den Punkt gebracht: „Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen?“

Bleiben Sie gesund!

Ihr

Achim von Michel

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