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Europäisches Einheitspatent: Gut für den Mittelstand?

Liebe Leserinnen und Leser,

Anfang November habe ich für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft e.V. in Bayern und gemeinsam mit dem Sponsor Anaqua Deutschland eine Veranstaltung zum Thema Patentmanagement aus europäischer Perspektive durchgeführt. Kernthema war hier natürlich das geplante europäische Einheitspatent, das Verwaltungsaufwand und Kosten europäischer Patentanmeldungen deutlich reduzieren und damit auch attraktiv für den Mittelstand sein soll. Nicht zuletzt kommen mehr als 90 Prozent der Patent-Anmeldungen beim Europäischen Patentamt von kleinen Unternehmen und Einzelpersonen, die in der Regel nicht über eigene Patentabteilungen verfügen und somit auf Ressourcen-schonende Prozesse angewiesen sind.

Ermöglichen soll das „Unitary Patent“ einen einheitlichen Schutz des geistigen Eigentums in allen EU-Staaten außer Spanien und Kroatien, die dem Abkommen bisher nicht beigetreten sind. Der Übersetzungsaufwand wird massiv reduziert, darüber hinaus soll eine eigene Patent-Gerichtsbarkeit mit einem Zentralgericht sowie Regional- und Lokalkammern in den Mitgliedstaaten errichtet werden. Patentstreitigkeiten können somit in Zukunft in jedem Mitgliedsland verhandelt werden und das Urteil hat dann automatisch bindende Wirkung auf das gesamte geschützte Gebiet. Mit etwa 5.000 Euro Kosten soll ein EU-Einheitspatent zudem relativ günstig im Verhältnis zum erlangten Schutzgebiet sein.

Deutschland hat Ratifizierung gestoppt

Doch so schön das alles klingt, so schwierig ist seit Jahren die Einführung. Sowohl das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) als auch die Verständigung über ein gemeinsames Patentgericht bedürfen der Ratifizierung durch mindestens 13 EU-Mitgliedstaaten. Lange sah es so aus, als sei Großbritannien mit seinem bevorstehenden Austritt aus der EU das zentrale Problem, doch das hat sich als falsch erwiesen. Die britische Regierung kündigte bereits 2016 an, sich an diesem Vorhaben zumindest vorläufig weiter zu beteiligen. Statt dessen ist es ausgerechnet EU-Protagonist Deutschland, der dem Einheitspatent im Moment Probleme bereitet. Schuld ist eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Beschwerde im Eilantrag, die im Kern das gesamte europäische Patentsystem für verfassungswidrig erklärt. Dass das Europäische Patentamt in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen, die vor keinem anderen Gericht angefochten werden können, sei im Grundsatz nicht verfassungskonform mit der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Die Ratifizierung es EPGÜ wurde aus diesem Grund vom Bundespräsidenten auf Bitte des BVerFG zunächst zurückgestellt, obwohl von Bundesrat und Bundestag bereits genehmigt. Nun ist keineswegs sicher, ob das BVerfG diese Beschwerde überhaupt annimmt. Sollte das nicht passieren, wäre der Weg wohl schnell bald der Bildung einer neuen deutschen Regierung noch in 2018 frei für das neue europäische Patentsystem. Kommt es jedoch zur zeitraubenden Prüfung der Beschwerde, könnte sich Großbritannien erneut als kritischer Faktor erweisen. Mit dem faktischen und operativen Beginn des EU-Austritts würden sich im Laufe der Verhandlungen vielleicht auch Fragen rund um das – dann noch nicht in Kraft getretene – EPGÜ neu stellen, mit ungewissem Ausgang.

Verfahrensregeln müssen genau geprüft werden

Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass eine zügige Einführung des europäischen Einheitspatents dringend geboten ist. Das neue System reduziert den Übersetzungsaufwand und ist insgesamt weniger bürokratisch und kostenintensiv als das jetzige Verfahren. Schließlich zerfallen die Rechte nicht mehr wie beim jetzigen EU-Bündelpatent auf nationalstaatliche Ebene zurück. Sie befreien den Rechteinhaber also davon, seine Patente nauf nationaler Ebene aufrecht zu erhalten. Dem Mittelstand würde die neue Regelung entgegen kommen, da er mit deutlich reduzieren Kosten für den Patentschutz rechnen könnte. Dennoch gibt es auch einige kritische Punkte im neuen Verfahren, die noch überdacht werden sollten. So ist mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass sich bei den verschiedenen Patentgerichten in den Mitgliedstaaten (Düsseldorf ist als Standort für die deutsche Lokalkammer vorgesehen) unterschiedliche Rechtsauffassungen entwickeln oder weiter verfestigen werden. Angreifer hätten also die Möglichkeit, sich gezielt diejenigen Kammern für ihre Anfechtungen auszusuchen, bei denen eine besonders große Aussicht auf Erfolg besteht, und könnten damit ein Urteil erwirken, dass sich dann unmittelbar auf den gesamten Schutzraum erstreckt. Das ist mit der jetzigen nationalstaatlichen Regelung so nicht möglich.

Wie bei jeder großen Veränderung wird auch bei der Einführung des europäischen Einheitspatent mit Sicherheit die praktische Erfahrung zu notwendigen Korrekturen und Anpassungen führen. Doch im Grundsatz ist der Impuls positiv für den Innovationsstandort und für die politische Einheit Europas.

Ihr

Achim von Michel
Herausgeber, mittelstandinbayern.de

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3 Kommentare

Sven Krieger 11. November 2017 at 11:22

Werter Herr von Michel,

auch wenn es sich bei Ihrem Artikel natürlich um ein bezahltes „Public Relations“-Piece handelt, sollten Sie darauf achten, dass zumindest die Fakten, auf denen Sie das Wunschdenken Ihrer Auftraggeber mitteilen, korrekt sind.

In Ihrem Beitrag stimmt so gut wie nichts. Das beginnt bei den angeblich „etwa 5.000 Euro Kosten“ für ein EU-Einheitspatent“ (die faktisch EUR 35.555,- für die gesamte Laufzeit betragen), geht weiter mit der angeblichen „Beschwerde im Eilantrag, die im Kern das gesamte europäische Patentsystem für verfassungswidrig erklärt“ (blanker Unsinn!) und hört mit der Aussage „Die Ratifizierung des EPGÜ wurde aus diesem Grund von der letzten Bundesregierung zunächst zurückgestellt“ (der Bundespräsident hat den Vollzug der Ratifkation auf Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt) noch nicht einmal auf. Die Aussage „Dem Mittelstand würde die neue Regelung entgegen kommen, da er mit deutlich reduzieren Kosten für den Patentschutz rechnen könnte“ ist unvollständig, denn sie blendet völlig die Kosten der Durchsetzung dieses Patentschutzes aus, die sich gegenüber der aktuellen Situation vervielfältigen würden und zwar auch für bestehende Patente, sofern man sie nicht aus dem neuen System „ausoptiert“.

Überzeugende Public Relations-Arbeit ist schwer zu leisten, wenn man so offensichtlich wenig Ahnung von der Materie hat, über die man sich äußert.

Mit freundlichen Grüßen
Sven Krieger

Antworten
Achim von Michel (adminstrator) 22. November 2017 at 19:56

Lieber Herr Krieger,

der Artikel gibt das Ergebnis einer Veranstaltung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft e.V. vom November wieder und ist zunächst einmal kein „bezahltes PR-Piece“. Ich war selbst dabei!
Zu ihren Kritikpunkten:
1. Auf der Homepage des EPA ist nachzulesen: „Ganz besonders attraktiv ist die Gebührenhöhe in den ersten Jahren, denn die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung eines Einheitspatents belaufen sich in den ersten zehn Jahren – der durchschnittlichen Lebensdauer eines europäischen Patents – auf insgesamt weniger als 5 000 EUR. “ https://www.epo.org/law-practice/unitary/unitary-patent/cost_de.html

2. Sie haben Recht, formal zurückgewiesen hat es der Bundespräsident auf Bitte des BVerfG, ich bitte diese Ungenauigkeit zu entschuldigen! Ich werde das im Text korrigieren.

3. Was ist falsch an der Aussage, dass das Patentsystem in Frage gestellt ist. Es geht letztlich um die Rolle der Beschwerdekammern im EPO, die keiner Kontrollinstanz unterworfen sind. Richtig?

4. Den Zusammenhang zwischen mehreren Patentsystemen, der auf der Veranstaltung ebenfalls thematisiert wurde, habe ich hier nicht angesprochen, weil das doch tiefes Fachwissen erfordert. Natürlich gibt es hier Problemstellungen, aber ich hatte nicht den Anspruch, einen Fachaufsatz für die „Mitteilungen der deutschen Patentanwälte“ zu schreiben. Hier werden relevante Teilaspekte wiedergegeben, nicht das komplette, hoch komplexe Thema.

Bitte ergänzen Sie gerne, wenn Si e es für angebracht halten und entschuldigen Sie die späte Antwort – ich sah den Kommentar erst heute.

Beste Grüße
Achim von Michel

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Nudum ius 20. Oktober 2020 at 16:53

Guten Tag!

Es schickt sich nicht über eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Form zu räsonieren. Das BVerfG hat die Bundestagsabstimmung wie erwartet kassiert.

Eine der Schwächen des Einheitspatents in der vorliegenden Form (nicht Teil des EU acquis), ist, dass der Europäische Gerichtshof keine Rolle hat. Das wollte UK so. Die „verstärkte Zusammenarbeit“ ist mögliches aber kaum geeignetes Verfahren, da doch die EU Verträge Bestimmungen für ein Patent vorsehen, die außen vor bleiben. „Verstärkte Zusammenarbeit“ ist der Katzentisch Europas. Ausgerechnet UK hat nun aber bereits seine Ratifikation widerrufen, für dieses für London maßgeschneiderte Konstrukt. Ich denke, die Bundesregierung wäre gut beraten die Initiative für eine echte EU Lösung zu ergreifen, nicht dieses Unitary Patent. Sie hat die Ratspräsidentschaft.

Selbst wenn Deutschland ratifiziert, kann das Abkommen nicht mehr in Kraft treten. Denn es muss in den Staaten ratifiziert sein, die zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung am meisten EPO-Patente hatten. Und eine Kammer in London macht nun auch keinen Sinn mehr. Darum nun die Brexit Change nutzen: Für ein echtes EU Patentrecht.

„am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der dreizehnten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde gemäß Artikel 84, einschließlich der Hinterlegung durch die drei Mitgliedstaaten, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung
des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab, “

UK ist raus, damit ist auch sein maßgeschneidertes Einheitspatentgericht für uns Europäer obsolet und wir können ein echtes EU Patentgericht aufsetzen.

Beste Grüße

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