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Rechtsstreit auf Augenhöhe: Prozesskostenfinanzierung

Wenn mittelständische Unternehmen mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf dem Rechtsweg konfrontiert sind, geht es oftmals um die Prozesskosten. Nicht wenige Unternehmen scheuen dieses Risiko und verzichten auf die Geltendmachung berechtigter Ansprüche. Gewerbliche Prozessfinanzierer können hier sehr hilfreich sein. Im Interview bei mittelstandinbayern.de: Thomas Kohlmeier, Vorstand der LEGIAL AG und seit 2010
Präsidiumsmitglied im Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen (BDIU).

Warum ist Prozessfinanzierung ein wichtiges Thema für mittelständische Unternehmen?

Thomas Kohlmeier: Mittelständische Unternehmen sind häufig mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf dem Rechtsweg konfrontiert. Leider verursacht der Gang zum Anwalt und vor Gericht gerade bei hohen Streitwerten beträchtliche Kosten. Nicht wenige mittelständische Unternehmen scheuen daher das Kostenrisiko und verzichten deshalb auf die Geltendmachung berechtigter Ansprüche. Hier ist eine Anfrage bei einem gewerblichen Prozessfinanzierer sinnvoll. Denn er übernimmt die Kosten für die beteiligten Anwälte, Gerichtskosten, Aufwendungen für Zeugen, Sachverständige und Gutachter sowie die Vollstreckungskosten im Vorfeld und wird im Gegenzug und bei einem erfolgreichen Ausgang des Verfahrens, und nur dann, an der tatsächlich erstrittenen Summe beteiligt. Kleine und mittelständische Unternehmen erhalten durch die Prozessfinanzierung zudem die Möglichkeit, dem Prozessgegner auf Augenhöhe entgegenzutreten, auch wenn dieser deutlich größer und finanzstärker sein sollte.
Für das Unternehmen, das seinen Anspruch geltend macht, besteht kein Kostenrisiko. Das heißt, Unternehmen müssen auch keine bilanziellen Rückstellungen für diesen Fall bilden. Darüber hinaus sind keine oder zumindest geringere bilanzielle Wertberichtungen für prozessfinanzierte Forderungen nötig.

Wenn ein Unternehmen eine Prozessfinanzierungsmöglichkeit prüfen lassen will, wie läuft eine Finanzierungsanfrage genau ab?

Thomas Kohlmeier: Der Anwalt des Anspruchsinhabers stellt die Anfrage an den Prozessfinanzierer. Um grundsätzlich die Eignung des Falles zu prüfen, reicht in der Regel ein erster Anruf. Sind die Voraussetzungen gegeben, d.h. der Mindeststreitwert von 100.000 EURO erreicht, die Bonität des Anspruchsgegners gesichert und bestehen gute Erfolgsaussichten, benötigt der Prozessfinanzierer im Idealfall einen Klageentwurf mit allen relevanten Anlagen. Auf alle Fälle aber Unterlagen, die für das Verständnis und die Risikoeinschätzung des Falles wichtig sind.

Diese Unterlagen werden von den Rechtsanwälten des Prozessfinanzierers geprüft. Wird der Fall abschließend übernommen und finanziert, wird der entsprechende Vertrag unterzeichnet. Ab diesem Zeitpunkt steht der Prozessfinanzierer dem Anwalt des Anspruchsinhabers zur Seite und begleitet den Rechtsstreit. Wird der Fall nicht finanziert, erhält der Anspruchsinhaber eine schriftliche Begründung – und damit eine wertvolle juristische, neutrale Rechtsmeinung. Diese kann gegebenenfalls eigene Zweifel bestätigen oder auf Aspekte hinweisen, die in Bezug auf das weitere Vorgehen wichtig sein können.

Können Sie an einem Beispielfall die Vorteile einer Prozessfinanzierung kurz aufzeigen?

Thomas Kohlmeier: Ein gutes Beispiel ist der Fall der Handelsgesellschaft „Druckpapier“, die aufgrund wirtschaftlicher Probleme ihre anfallenden Steuerschulden nicht mehr vollständig begleichen kann und mit dem Finanzamt − gegen Teilratenzahlung von 10.000 Euro monatlich − eine Aussetzung der Vollstreckung vereinbart. 2009 muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Finanzamt auf die Ratenzahlung beharrt und dem Unternehmen ansonsten weitreichende Konsequenzen bis hin zur Vollstreckung in Aussicht gestellt.
Der bestellte Insolvenzverwalter hält diese Vorgehensweise jedoch für nicht rechtmäßig, da sie seines Erachtens nach das Finanzamt im Vergleich zu weiteren Gläubigern der GmbH besser stellte. Er sieht die Möglichkeit, die geleisteten Zahlungen mittels Insolvenzanfechtung zurückzuverlangen. Angesichts des Streitwerts in Höhe von rund einer Million Euro, ist ihm das Risiko einer Klage ohne Unterstützung jedoch zu hoch. Er wendet sich 2012 an LEGIAL, und da unser Haus die Finanzierung übernimmt, kann er die Anfechtungsklage bei Gericht einreichen ohne Sorge, dass im Falle des Unterliegens vor Gericht Kosten und Anwaltsgebühren anfallen, die die Insolvenzmasse aufzehren oder sogar übersteigen.

Das Gericht schlägt ein Mediationsverfahren vor, in dessen Rahmen sich beide Parteien auf eine Rückzahlung von 480.000 Euro sowie Übernahme der Gerichtskosten seitens des Finanzamts einigen. Abgesehen davon, dass der Insolvenzverwalter die Klage angesichts der drohenden Kosten wohl nicht geführt hätte, konnte die Einigung zugunsten der restlichen Gläubiger der Handelsgesellschaft innerhalb nur eines halben Jahres erreicht werden.

Als Anspruchsinhaber ist mein Anwalt mein erster Ansprechpartner. Wie stehen Anwälte zum Thema Prozessfinanzierung?

Thomas Kohlmeier: Die Prozessfinanzierung bietet Anwälten viele Vorteile. Der für den Anwalt vielleicht wichtigste Aspekt ist, dass er – bei Hinzuziehung eines seriösen Finanzierers – sicher sein kann, sein Honorar auf jeden Fall zu erhalten. Darüber hinaus erhält der Anwalt eine qualifizierte juristische Zweitmeinung und kann sich auch im weiteren Verlauf des Verfahrens fachlich mit dem Prozessfinanzierer austauschen. Wir sind durchaus stolz darauf, dass wir die Arbeit der prozessführenden Anwälte in Einzelfällen mit Hinweisen auf Urteile oder einschlägige Literatur, aber auch mit externen Gutachten unterstützen können. Leider ist die Nutzung des Instrumentes der Prozessfinanzierung, das es bereits seit 15 Jahren gibt, für Anwälte immer noch nicht selbstverständlich. Wir setzen deshalb auf die transparente Kommunikation zu diesem Thema. Denn je besser die Anwälte informiert sind, umso mehr erkennen sie die Vorteile für alle Beteiligten und empfehlen ihren Mandanten diesen Weg.

Wie ergänzen sich Rechtsschutzversicherung und Prozessfinanzierung?

Thomas Kohlmeier: Vorweg ist zu sagen, dass für Privatpersonen die Rechtsschutzversicherung immer das überlegene Konzept sein wird, da sie wesentlich kostengünstiger ist. Die Prozessfinanzierung ergänzt die Rechtsschutzversicherung aber insbesondere in den Gebieten, die Rechtsschutzversicherer nicht abdecken.

Wohin entwickelt sich der Prozessfinanzierungsmarkt in Zukunft?

Thomas Kohlmeier: Wir sehen derzeit einen ganz klaren Trend hin zu immer höheren Streitwerten, weil die Nachfrage nach Prozessfinanzierungen auch in den Fällen steigt, in denen sich der Kläger das Risiko eigentlich selbst leisten könnte, es aber – gerade wegen z.B. der Rückstellungsthematik – nicht selbst tragen will. Interessanterweise nehmen auch Fälle mit internationalem Bezug zu. Insgesamt rechne ich mit einem stetigen und nachhaltigen Wachstum im Bereich der Prozessfinanzierung.

Weitere Informationen:
Thomas Kohlmeier ist Vorstand der LEGIAL AG in München. Die LEGIAL AG bietet innovative Rechtsdienstleistungen für Anspruchsinhaber, erstens im Bereich Prozessfinanzierung, zweitens im Bereich Forderungsmanagement für Versicherungsnehmer des D.A.S.-Rechtschutzproduktes „Existenz-Rechtsschutz“. Zudem ist das Unternehmen als Inkassodienstleister im Mengeninkasso für Großkunden, speziell für Unternehmen der Versicherungsbranche, tätig.

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